1980 bis 1985:
Die große Bauphase

Es braucht nur zwei Zahlen, um eine Vorstellung davon zu vermitteln, wie sehr die Achtzigerjahre Neuschloß verändern. 1980 wohnen 496 Frauen, Männer und Kinder in unserem Stadtteil. Zwölf Jahre später, 1992, sind es 1.444 – fast dreimal so viel.

Entwicklung der Einwohnerzahl von Neuschloß.
Entwicklung der Einwohnerzahl von Neuschloß.

Bis dahin erstreckt sich die Bebauung weitgehend auf das Gelände von Jagdschloss und späterer Fabrik – abgesteckt von Altem Lorscher Weg, Buchenweg, Ulmenweg und Forsthausstraße. In den Siebzigerjahren kommen die Flachdachhäuser auf der anderen Seite der Landesstraße im Tannenweg dazu.
Der Ulmenweg ist zu dieser Zeit eigentlich nur eine halbe Straße. Einen Gehweg gibt es nur auf der Ostseite, die Fahrbahn selbst ist schmal, gegenüber ein unbefestigter Sandstreifen, auf dem Anwohner ihre Autos parken.

Dahinter weite Äcker, auf denen Landwirte meist Getreide und Spargel anbauen, einige verfallende Spargelhäuschen, mit Gerümpel darin. In den frühen Morgenstunden lassen sich von den Balkonen der Siedlungshäuser aus die Rehe vor dem Wald beobachten.

Der halb geteerte Ulmenweg endet in Höhe der jetzigen Einmündung des Wacholderwegs und geht in einer geraden Linie weiter durch die Äcker als von Mohnblumen gesäumter, staubiger Feldweg auf die Landesstraße. Am heutigen Eichen- und Fichtenweg liegt ein großer, sandiger Platz mit zwei Fußballtoren, auf dem Kinder kicken. Zum Vatertag baut der Lampertheimer Männergesangverein Sängerbund-Sängerrose dort sein Festzelt auf, stets gut gefüllt; der noch jugendliche Verein „Meute“ begießt hier immer am 30. April seine mitgebrachte Maibirke.

Der halbe Ulmenweg aus den Siebzigerjahren. Gegenüber Felder und ein Spargelhaus. Aus dem  Familienalbum des Autors.
Der halbe Ulmenweg aus den Siebzigerjahren. Gegenüber Felder und ein Spargelhaus. Aus dem Familienalbum des Autors.

Und dann wird alles anders. Leiten bisher die Kanäle unter den Straßen ausschließlich Regenwasser in den nahen Wald, vergraben Bagger jetzt mächtige Rohre, teils mit mehr als einem Meter Durchmesser, bauen eine Pumpstation am heutigen hinteren Waldfriedhofsparkplatz – und eine Abwasserdruckleitung bis zur Lampertheimer Kläranlage. Die häuslichen Sickergruben haben ausgedient. Wo bisher Getreide und Spargel wachsen, zieht bald der Akazienweg seinen weiten Bogen entlang der Landesstraße, der Ahornweg formt mit seinen beiden rechtwinkligen Kurven in der Mitte das große U, der Eichenweg erschließt mit seinen kleinen Seitenstraßen die waldnahen Grundstücke. Die Bäume zwischen Buchenweg und Sodabuckel weichen ebenfalls.

Neuschloß wächst Haus um Haus

Bauarbeiter und Handwerker ziehen Haus um Haus hoch, nicht nur für eine Familie oder zwei wie bisher üblich. Zahlreiche Reihenhäuser sind dabei, auch Wohnblocks. Und am Waldrand, auf den teuren Grundstücken, zieren kleine architektonische Kunstwerke die Sackgassen mit ihren Spielgeräten ganz hinten.

Gibt es bisher im Ort mit dem blauen Hinweis auf die Sackgasse am Kiefernweg jenseits der Landesstraße genau ein einziges Verkehrsschild, lockt plötzlich eine breite Kreuzung mit Abbiegespuren und mehreren Verkehrsinseln ins Innere des Stadtteils; in Höhe des früheren Feldwegs zieren Zebrastreifen den breit gewordenen Ulmenweg, halten nun sogar Schul- und Linienbusse.

Das Gebiet gegenüber dem Ulmenweg – zu erkennen in der Bildmitte an den Siedlungs- und Reihenhäusern – heute: Auf den früheren Feldern ist der Eichenweg mit seinen Seitenstraßen zu sehen. Hinten links der sanierte Sodabuckel.
Das Gebiet gegenüber dem Ulmenweg – zu erkennen in der Bildmitte an den Siedlungs- und Reihenhäusern – heute: Auf den früheren Feldern ist der Eichenweg mit seinen Seitenstraßen zu sehen. Hinten links der sanierte Sodabuckel.

Als Ersatz für den staubigen Fußballplatz entsteht einige Jahre später ein attraktiver, weit über Neuschloß hinaus beliebter Abenteuerspielplatz auf einem Hügel im Wald – was sich noch als großer Fehler erweisen sollte.

Der Stadtteil wächst und wächst: Die evangelischen Christen finden sich in der Johannesgemeinde zusammen (1983), die SPD setzt in der Stadtverordnetenversammlung den Waldfriedhof durch (1984), Volksbank und Sparkasse öffnen moderne Zweigstellen. Vor allem sportbegeisterte Frauen rocken den Sportclub Kurpfalz (seit 1987). Die Kommune baut nach den Plänen des Neuschlößer Architekten Robert Geiger den viel bestaunten Kindergarten im Wacholderweg (1988). Der Ahornplatz entsteht als neues Stadtteilzentrum (1991), oben der Bürgersaal. Im Jahr 1992 beginnt die Tradition, am ersten Adventssonntag auf dem Ahornplatz einen Adventsmarkt auszurichten. Er erfreut sich bis heute großer Beliebtheit, nicht nur bei den Neuschlößern.

Die neuen Neuschlößer verändern den Stadtteil nicht nur, weil sie viele sind. Die Sozialstruktur verschiebt sich. So sind viele Zugezogene junge Familien mit kleinen Kindern, etwa in der gleichen Altersspanne. Das wirkt bis heute: Der Bedarf an Betreuung schwankt über die Jahre wellenartig; das spiegelt sich wider in der über die Jahre stark schwankenden Zahl der Mädchen und Jungen im Neuschlößer Kindergarten.

Ein anderer Schlag von Menschen

Und: Es kommt in den Achtzigerjahren ein anderer Schlag Menschen in den Stadtteil. Bisher leben hier Familien, die dankbar für ihre neue Heimat sind, sich als Werktätige verdingen, fleißig im Garten arbeiten und vor allem nicht auffallen wollen. Jetzt leben in Neuschloß zunehmend (nicht selten leitende) Angestellte, die in großen Firmen in Mannheim, Stuttgart oder Frankfurt arbeiten. Auch viele Lampertheimer Ärzte lassen sich am Wald nieder. Der Stadtteil bekommt selbst- und umweltbewusste Frauen und Männer, die wissen, was sie wollen. Das sollte bald wichtig werden.

Zeittafel